11. Aug. 2025

E-Commerce Strategie Produktentwicklung Produktmanagement

Reverse Benchmarking – Warum du nicht nach oben schauen solltest, sondern dorthin, wo es wehtut

Jasper von Bock

Die meisten Unternehmen, die ihre digitale Präsenz verbessern wollen, schauen zuerst auf die Marktführer: Was macht Zalando richtig? Wie sieht die Website von Apple aus? Welche Marketingkampagnen fahren die Großen?

Benchmarking nennt sich das – und es ist ein bewährtes Vorgehen.

Doch es hat einen blinden Fleck.

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Was ist Reverse Benchmarking?

Reverse Benchmarking kehrt das Prinzip um: Statt nach Best Practices zu suchen, schaut man auf das, was nicht funktioniert.

Nicht: „Was machen andere besser als wir?“

Sondern: „Was machen andere schlecht – und wie können wir es gezielt besser machen?“

Diese Perspektive ist unbequem, aber hochwirksam.

Denn gerade im digitalen E-Commerce, in der Konzeption von Websites und in digitalen Marketingstrategien entstehen entscheidende Wettbewerbsvorteile nicht durch das Kopieren von Champions, sondern durch das intelligente Beheben von systemischen Schwächen.

 

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Teil 1: Reverse Benchmarking im E-Commerce – Lücken statt Leuchttürme analysieren

Häufige Schwachstellen

  • Überladene Produktseiten mit fehlender Orientierung
  • Checkout-Prozesse, die abbrechen lassen statt konvertieren
  • Kein echtes Storytelling, nur „Copy & Paste“-Produktbeschreibungen
  • Ladezeiten jenseits der Schmerzgrenze
  • Unflexible Shopsysteme, die sich nicht mit dem Geschäftsmodell mitentwickeln


Statt sich zu fragen, wie die Marktführer so erfolgreich in UX/UI wurden, sollte man sich fragen, warum so viele andere daran scheitern – und gezielt dort ansetzen.

Beispiel: Mobile UX im B2B-Shopbereich
Während viele B2B-Shops mobile einfach „mitnehmen“, gibt es eine massive Lücke:

Keine adaptive User Experience, keine optimierten Filter, kein schneller Zugang zu Wiederbestellungen.

Mit Reverse Benchmarking würden wir nicht sagen: „Wie machen es die Guten?“

Sondern: „Wo verlieren andere B2B-Shops ihre mobilen Nutzer – und wie können wir es besser machen?“

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Teil 2: Reverse Benchmarking für digitale Konzepte – Websites, die nicht überzeugen

Häufige Probleme:

  • Visuelle Überforderung: Alles schreit gleichzeitig.
  • Unklare Navigationskonzepte: Besucher*innen verlaufen sich.
  • CMS-Blockaden: Content-Teams haben keine Freiheit.
  • Veraltete technische Grundlagen: Kein API-first, kein modularer Aufbau, keine Headless-Optionen.

Strategischer Ansatz:

  • Frag nicht: Wie sieht eine perfekte Website aus?
  • Frag: Warum funktionieren 80% der Websites nicht – und was fehlt ihnen?

Reverse Benchmarking identifiziert strukturelle Barrieren – etwa, dass viele Websites für Marketingteams unwartbar sind.

Die Konsequenz: Content wird nicht aktuell gehalten, SEO leidet, Nutzer*innen fühlen sich verloren.

Beispiel: Redaktionssysteme im Mittelstand
Viele Unternehmen im Mittelstand haben Websites, die nur von Agenturen bearbeitet werden können.

Reverse Benchmarking fragt:

Was passiert, wenn das CMS nicht empowernd, sondern blockierend ist?

Wie können wir das Gegenteil davon schaffen?

→ Lösung: Ein CMS wie Alchemy, das modular, API-ready und von Redakteuren ohne Developer-Unterstützung nutzbar ist.

Hier liegt die Benchmark nicht im Vergleich zu „den besten Websites“, sondern im gezielten Überwinden des strukturellen Problems „Editor-Angst“.

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Teil 3: Reverse Benchmarking im digitalen Marketing – jenseits der Hochglanz-Kampagnen

Typische Defizite:

  • Kanalhopping ohne Strategie: Mal TikTok, mal Mail, mal irgendwas.
  • KPI-Fetisch statt Zielgruppenrelevanz
  • Keine Differenzierung: Jeder klingt wie der andere
  • Kein inhaltlicher Tiefgang: Nur flache Claims, keine Haltung, keine Story.


Analyse statt Bewunderung
Reverse Benchmarking fragt:

  • Wo entstehen die größten Streuverluste?
  • Was sind die am häufigsten übersehenen Touchpoints?
  • Welche Zielgruppen werden konstant ignoriert?


Beispiel: LinkedIn-Marketing für komplexe Produkte
Viele B2B-Anbieter versuchen sich auf LinkedIn – mit wenig Erfolg.

Warum?

  • Copy-Paste-Claims
  • Keine echte Meinungsführerschaft
  • Nur Produkt, keine Relevanz für den Markt


Reverse Benchmarking nutzt genau diese Lücken:

Was fehlt dem Feed meiner Zielgruppe – und wie kann ich diesen Mangel gezielt füllen?

Beispiel: Statt über Features zu reden, schafft man echte Wertbeiträge. Kommentare, nicht nur Likes. Dialog, nicht nur Reichweite.

 

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Was Reverse Benchmarking erfordert – und warum es kaum jemand macht

Voraussetzungen:

  • Mut zur schonungslosen Analyse
  • Empathie für Nutzer*innen, die sich abwenden
  • Fähigkeit zur strukturellen Problemlösung
  • Bereitschaft, bestehende Narrative zu hinterfragen


Warum es unbequem ist:

  • Weil es keinen Masterplan gibt, den man kopieren kann.
  • Weil man sich mit dem Scheitern anderer beschäftigen muss.
  • Weil es nicht glänzt, sondern gräbt.

 

Fazit: Reverse Benchmarking schafft echten Fortschritt

Wer immer nur auf „die Besten“ schaut, läuft Gefahr, nur zweitbester Abklatsch zu werden.

Wer aber auf die Lücken, Irrwege und Brüche schaut – und dort konkret ansetzt –, kann echte Differenzierung erreichen.

Reverse Benchmarking heißt: den Blick dorthin richten, wo niemand hinsehen will – und genau dort ansetzen.

 

Bonus: Drei praktische Fragen für dein nächstes Digitalprojekt

  1. Wo in meiner Branche hakt es am meisten?
  2. Welche typischen Nutzerfrustrationen ignorieren wir?
  3. Was machen 80% unserer Wettbewerber systematisch falsch?

Wenn du diese Fragen ehrlich beantwortest, brauchst du kein Benchmark mehr – du bist eine.

Let's talk

Wachstum beginnt da, wo’s weh tut.

Die meisten schauen nach oben – wir schauen dorthin, wo andere scheitern. Mit Reverse Benchmarking decken wir strukturelle Schwächen auf und machen daraus echte Wettbewerbsvorteile.