Zwei Phasen, die fast jedes Projekt durchläuft
Ob man will oder nicht – Projekte folgen oft einem ähnlichen Muster. Erst kommt der Schwung. Dann der Alltag.
Beide Phasen haben ihre Berechtigung. Aber sie stellen Teams vor ganz unterschiedliche Herausforderungen.
Phase 1: High Energy
In dieser Projektphase stehen im Mittelpunkt:
- klare Verantwortlichkeiten
- ein gemeinsamer Fokus
- schnelles Feedback
- eine hohe Interaktion
Man hört einander zu. Alle sind sichtbar. Der Code lebt. Das Konzept wächst. Meetings fühlen sich produktiv an. Man hat das Gefühl: „So müsste es immer laufen.“
Spoiler: Tut es nicht.
Phase 2: Der Alltag setzt ein
Deadlines sind erreicht. Systeme laufen.
Plötzlich geht’s nicht mehr um Konzeption, sondern um Pflege, Prozesse, Präzision.
Die Energie verlagert sich. Nicht, weil jemand „faul“ wird – sondern weil der Alltag eben ein anderes Spielfeld ist.
Und dann kippt etwas:
- Verantwortlichkeiten verschwimmen
- Kommunikation wird kürzer – oder gar zögerlicher
- Entscheidungen ziehen sich
- Frust macht sich breit, subtil, wie in einer langjährigen Beziehung ohne gemeinsame To-do-Liste
Was das mit Beziehungen zu tun hat – ernst gemeint
Langfristige Beziehungen (egal ob privat oder im Business) brauchen Struktur, nicht Drama. Alltag ist nicht das Gegenteil von Innovation, sondern ihr Prüfstand.
In der Systemtheorie spricht man von „Pflegearbeit“: Nicht sexy, nicht laut – aber zentral. Auch die Psychologie der Beziehungspflege (z.B. John Gottman) zeigt:
Es sind nicht die großen Gesten, sondern die regelmäßigen, kleinen Investitionen, die Beziehungen stabil machen.
In der Beziehung wie im Projekt bedeutet das:
- Zuständigkeiten klären, wenn kein akuter Druck besteht
- Kommunikationsroutinen etablieren, auch wenn nichts „brennt“
- gemeinsam reflektieren, ohne dass eine Krise droht
Der digitale Alltag ist nicht der Feind. Aber er verzeiht keine Unklarheit.
- Es fehlt eine Langzeitstrategie: Der Fokus liegt auf dem Projektstart – nicht auf dem Betrieb danach.
- Pflegearbeit wird unsichtbar: Wer Inhalte einpflegt, Fehler sammelt, Tools aktualisiert, Prozesse moderiert – wird selten gesehen.
- Verantwortung wird diffus: „War das deine Aufgabe?“ oder „Ich dachte, das ist im Scope von XY.“ oder „Hatte keine Zeit, das auch noch zu übernehmen.“
- Kommunikation sinkt unter die Reizschwelle: Meetings werden seltener. Feedback bleibt aus. Die Beziehung verläuft – im wahrsten Sinne – im Sand.
Ein Team, das nicht bewusst kommuniziert, driftet – ohne dass es jemand will oder merkt.
Was hilft? (Und zwar nachhaltig)
Der Alltag ist keine Krise. Aber wer ihn ignoriert, riskiert den Projektstillstand – oder, schlimmer: das leise Versanden.
Ob privat oder digital:
- Die eigentliche Qualität einer Beziehung zeigt sich nicht im Start, sondern im Betrieb.
- In kleinen Routinen. In der Bereitschaft, auch an unspektakulären Tagen präsent zu sein.
In der Haltung: „Wir sind noch da – und wir kümmern uns.“